Corona am Bau – Verzögerung der Bauzeit, Lieferketten-Unterbrechung, Ausfall der Mitarbeiter

In Krisenzeiten ist plötzlich alles anders – doch wie wird die Baustelle durch Corona „infiziert“ und welche „Heilmittel“ hat der Handwerker? Ein Überblick:

l. Verzögerung der Bauzeit:
a) Verträge sind einzuhalten. Ausnahme:
> Was im Vertragstext steht, gilt.
> Regelt der Vertrag „Höhere Gewalt“?
> Regelt der Vertrag nichts, wird entgangener Gewinn berechnet werden können.
> Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs) im Vertrag? Vorsicht: AGBs können:
>> nicht wirksam vereinbart worden sein: Z.B. zu spät.
>> unwirksam sein, Z.B. überraschend oder unangemessen.

b) Aus dem Gesetz:
– In Ausnahmefällen kann die Leistungserbringung unmöglich werden; der Handwerker braucht nicht zu leisten, wenn die Leistung für jedermann unmöglich ist, Z.B. Quarantäne von verfügbaren Mitarbeitern oder Materialmangel am Markt.
– Anpassung des Vertrages kann verlangt werden, keiner Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann. Das nennt man Störung der Geschäftsgrundlage. Aber: Die Umstände der Unzumutbarkeit müssen sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Eine Kündigung ist nur bei unmöglicher oder
unzumutbarer Anpassung des Vertrages möglich.

c) Höhere Gewalt, wenn sie der Vertrag nicht regelt:
Wenn Z.B. die Lieferketten abreißen oder kein Baumaterial mehr zu bekommen ist, Mitarbeiter oder ganze Kolonnen erkrankt ausfallen bzw. unter Quarantäne gestellt werden, ist ein Fall der höheren Gewalt denkbar. Der Handwerker darf die Leistung vorübergehend einstellen. Schadensersatz oder Vertragsstrafen wegen Bauzeitstörungen sind dann ausgeschlossen.
Fertigstellungszeiten müssen verlängert werden, § 6 Abs. 2 Nr. l c VOB/B. Nach § 6 Abs. 5 VOB/B werden die bis zur Unterbrechung erbrachten Leistungen abzurechnen und zu vergüten sein. Der Vertrag kann nach 3 Monaten gem. § 6 Abs. 7 VOB/B gekündigt werden.

2. Ganz wichtig: Behinderungsanzeige!
Um Schadensersatzansprüche und Vertragsstrafen abzuwehren, muss der Handwerker schriftlich gegenüber dem Bauherrn alle Beeinträchtigungen, alle negativen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Vertragserfüllung anzeigen!

Und zwar so frühzeitig wie möglich – und wenn sich die Lage täglich oder stündlich ändert,
dann eben ständig und mehrfach anzeigen.

3. Die Kündigung des Auftrags aus wichtigem Grund ist möglich, wenn die Fortsetzung nicht zumutbar ist, etwa wenn dem Handwerker nicht mehr die benötigten Mitarbeiter zur Verfügung stehen oder die Lieferung von benötigten Baustoffen eingestellt wird. Der Handwerker hat Anspruch auf die Vergütung für den erbrachten Teil. Aber Vorsicht! Gegenansprüche auf Schadensersatz sind nicht ausgeschlossen! Und es gelten die Umstände des Einzelfalls! Das kann bei Gericht Probleme bereiten.

4. Die freie Kündigung des Auftraggebers führt zur Leistungsfreiheit. Der Handwerker kann die vereinbarte Vergütung verlangen und muss sich ersparte oder zu ersparende Aufwendungen anrechnen lassen. Es empfiehlt sich, eine entsprechend aufgestellte Schlussrechnung zu legen.

5. Fazit: Sichern Sie sich ab!
> Genauestens protokollieren. Amtliche Verfügungen schriftlich verlangen oder bestätigen lassen!
> AUs der Mitarbeiter aufbewahren!
> Die Liefereinstellung vom Lieferanten schriftlich bestätigen lassen!
> Die Umstände und Auswirkungen der Leistungseinstellung als Behinderungsanzeige dem Auftraggeber schriftlich mitteilen!
> Sonst Risiko: Leistungseinstellung nicht (mehr) nachweisbar; hierdurch Schadensersatzforderungen/ Vertragskündigung!

DJS&G Fachanwalt Dr. iur. Roland Sieger
  • Stellvertretender Vorsitzender der Kfz-Schiedsstelle Rhein-Erft